Bochum (Bochumer Verein)
Für die „Bochumer Verein für Gußstahlfabrikation AG“ mussten ab Juni 1944 über 1.700 meist jüdische Häftlinge aus dem KZ Buchenwald Zwangsarbeit leisten. Das Außenlager entstand auf Initiative des Unternehmens, die Unterbringung erfolgte auf dem Werksgelände mitten in Bochum. Als „unbrauchbar“ eingestufte Häftlinge wurden zurück ins Stammlager transportiert, wo die meisten von ihnen den Tod fanden. In Bochum selbst starben mindestens 108 Häftlinge. Im März 1945 wurden die Überlebenden wieder nach Buchenwald gebracht.
Historische Situation
Bezeichnung
Das Lager wurde als „Arbeitskommando Bochumer Verein“ bzw. „Außenlager Bochumer Verein für Gussstahlfabrikation AG“ bezeichnet.
Standort
Das Lager befand sich in Bochum-Mitte (Stahlhausen) an der Brüllstraße, auf dem Werksgelände des Bochumer Vereins. Am selben Ort befand sich bereits ein Lager für sowjetische Zwangsarbeiterinnen.
Unternehmen
Die „Bochumer Verein für Gußstahlfabrikation AG“, kurz „Bochumer Verein“, setzte insgesamt über 7.000 Zwangsarbeiter:innen in ihren Fabriken ein. Darunter waren Kriegsgefangene und „zivile“ ausländische Zwangsarbeiter:innen, aber auch zahlreiche Häftlinge aus Konzentrationslagern. Angeleitet und kontrolliert wurden sie bei der Arbeit von zivilen Vorarbeitern des Bochumer Vereins.
Zwangsarbeit
Die KZ-Häftlinge wurden in 12-Stunden-Schichten in der Rüstungsindustrie eingesetzt, unter anderem für die Produktion von Granaten. Viele mussten ohne Schutzkleidung an sogenannten Monsterpressen arbeiten, wobei sie durch die große Hitze schwerste Verbrennungen erlitten.
Gegründet
Juni 1944
Aufgelöst
21. März 1945
Häftlinge
Männerlager
Maximale Anzahl der Häftlinge
1.704
Der erste Transport bestand aus 434 jüdischen Ungarn, die nach Verhandlungen mit Ingenieuren des Bochumer Vereins im KZ Auschwitz ausgewählt und nach Bochum gebracht wurden, sowie zwölf „Funktionshäftlingen“. Im November 1944 erreichte das Lager mit 1.704 Häftlingen aus Buchenwald, Auschwitz und Neuengamme seine größte Belegung. Es waren überwiegend jüdische Männer unterschiedlicher Nationalität, darunter Ungarn, Tschechen, Russen, Polen, Rumänen und einige Deutsche.
Schwere Arbeitsunfälle, insbesondere Verbrennungen, waren durch die harte Zwangsarbeit und mangelnde Schutzkleidung häufig. Misshandlungen, Nahrungsmittelentzug und andere Strafen waren an der Tagesordnung. Im Januar 1945 erfolgte der Transport von 198 „unbrauchbaren“ Häftlingen zurück nach Buchenwald. Viele von ihnen starben unterwegs oder kurz nach der Ankunft im Stammlager. Weitere Häftlinge wurden gezielt von SS-Männern ermordet oder starben bei Luftangriffen. In den Bochumer Außenlagern „Bochumer Verein“ und „EHW“ zusammen starben insgesamt mindestens 108 Häftlinge.
Bei Auflösung des Lagers am 18. und 19. März 1945 waren noch 1.326 Häftlinge vor Ort. Sie wurden von der SS ohne Proviant in Eisenbahnwaggons gepfercht und nach Buchenwald zurücktransportiert, wo sie am 21. März ankamen. Während der Fahrt kamen mindestens 16 Häftlinge ums Leben, 44 weitere wurden im Stammlager in den Krankenbau eingewiesen, wo viele starben oder durch Phenolinjektionen ermordet wurden. Ein großer Teil der Häftlinge aus Bochum kam in den nächsten Wochen auf Todesmärschen Richtung Flossenbürg und Dachau um. Nur wenige wurden am 11. April 1945 in Buchenwald befreit.
Unterbringung
Die Häftlinge waren in einem Barackenlager auf dem Werksgelände des Bochumer Vereins an der Brüllstraße in Bochum untergebracht. Das dort bereits bestehende Lager für Zwangsarbeiterinnen wurde im Juni 1944 erweitert und mit der vom KZ Buchenwald geforderten Bewachungsanlage ausgestattet. Nach dem Ausbau umfasste das Lager 17 Baracken. Die Bewachung des Lagers erfolgte durch zum Außendienst nach Bochum abkommandierte SS-Wachen des KZ Buchenwald unter dem Kommando von Hauptsturmführer Hermann Großmann. Während der schweren Luftangriffe der Alliierten auf Bochum im November 1944 wurden viele der eben erst errichteten Baracken wieder zerstört.
„Orte und Räume Deutscher Verbrechen gegen die Menschheit“
Der Fotograf Herbert Naumann hat in den Jahren 2012 und 2013 die ehemaligen Standorte der Außenlager des KZ Buchenwald fotografiert. Die vordergründig dokumentarisch wirkende Fotografie zeigt Orte, die Schauplätze deutscher Verbrechen waren. Die fotografischen Ansichten von Landschaften, Brachen, Grünanlagen, öffentlichen Plätzen, Wohnsiedlungen, Kleingärten etc. liefern zunächst keine oder kaum noch Indizien für das, was hier geschehen ist. Es sind stille und unspektakuläre Bilder mit häufig nur indirekten Hinweisen. Erst der sie begleitende Text stellt den Zusammenhang zwischen den dort begangenen Verbrechen und dem Ort her, lässt in den Bildern die Spuren erkennen, gibt dem Ort seine Identität und nimmt ihm seine Harmlosigkeit. Mit den Fotografien erhalten die Geschehnisse eine neue Aktualität; sie bleiben nicht mehr nur als erzählte Geschichte(n) theoretisch, sondern werden wieder mit dem konkreten, dem erkennbaren, dem realen Ort verbunden.
Die weiteren Bilder von Herbert Naumann finden Sie unter www.herbert-naumann.de.
Heutige Situation
Der ehemalige Lagerkommandant Hermann Großmann wurde im Dachauer Buchenwald-Prozess zum Tode verurteilt und 1948 hingerichtet. Die Ermittlungen gegen weitere Verantwortliche, unter anderem die Direktoren des Bochumer Vereins wurden aus Mangel an Beweisen für „verbrecherische Handlungen“ eingestellt. Seit 2018 erinnert eine so genannte Stolperschwelle des Kölner Künstlers Gunter Demnig, seit 2019 ausserdem ein vom Bochumer Künstler Marcus Kiel gestaltetes Mahnmal an das ehemalige Lager.
Kontakt vor Ort
Stadtarchiv - Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte Wittener Straße 47 44777 Bochum
Telefon: 0234 9109500 E-Mail: stadtarchiv@bochum.de Internet: www.bochum.de
Dokumente
Kontakt zum Förderverein Buchenwald
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Literatur
Abrahamsohn, Rolf: „Was machen wir, wenn der Krieg zu Ende ist?“ Lebensstationen 1925-2010, hrsg. vom Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte und dem Jüdischen Museum Westfalen, Essen 2010.
Grieger, Manfred: Die vergessenen Opfer der „Heimatfront“. Ausländische Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge in der heimischen Kriegswirtschaft 1939-1945, Bochum 1991.
Schneider, Hubert: Ungarische Juden als Zwangsarbeiter in Bochum – das Schicksal von John Chillag, in: Schulte, Jan Erik (Hg.): Konzentrationslager im Rheinland und in Westfalen 1933-1945, Paderborn 2005, S. 227ff.
VVN-BdA, Kreisvereinigung Bochum: Die Verfolgung der Juden in Bochum und Wattenscheid. Die Jahre 1933-1945 in Berichten, Bildern und Dokumenten, Altenberge 1993, S. 58-61.
VVN-BdA, Kreisvereinigung Bochum (Hrsg.): Ein Bochumer Konzentrationslager. Geschichte des Buchenwald-Außenlagers des Bochumer Vereins. Aufsätze, Fotos, Dokumente, RuhrEcho Verlag 2019.
Wölk, Ingrid: Das Außenkommando „Bochumer Verein“ des Konzentrationslagers Buchenwald, in: Schulte, Jan Erik (Hg.): Konzentrationslager im Rheinland und in Westfalen 1933-1945, Paderborn 2005, S. 245ff.
Wölk, Ingrid: Bochum (Bochumer Verein), in: Benz, Wolfgang / Distel, Barbara: Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Band 3: Sachsenhausen, Buchenwald, München 2006, S. 395-399.
Andere Quellen
Weitere Informationen zum Thema enthält die Station 24 (Brüllstraße) des Online-Projekts „Leidens-Wege in Bochum“, das vom Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte entwickelt wurde (siehe: https://www.bochum.de/Stadtarchiv/Bochum-in-der-NS-Zeit/Leidens-Wege-in-Bochum-1933-bis-1945).
Zahlreiche Biografien von Jüdinnen und Juden in Bochum finden sich auf der Website „Spuren im Vest“ (https://spurenimvest.de/).