Leipzig-Schönefeld (Männer)

Neben dem bereits existierenden Lager Leipzig-Schönefeld (Frauen) richtete die SS ein gesondert eingegrenztes Barackenlager ein, in dem ab November 1944 bis zu 680 ungarische und polnische Juden sowie Franzosen und Italiener untergebracht wurden. Auch sie mussten für die Hugo Schneider AG Zwangsarbeit leisten. Mindestens sieben Männer kamen ums Leben. Im April 1945 trieb die SS die Häftlinge auf Todesmärsche in Richtung Osten. Heute setzt sich die Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig für einen angemessenen Umgang mit der Geschichte des Ortes ein.

Historische Situation

Bezeichnung

„KZ-Außenlager HASAG Leipzig“, „Männeraußenlager Hugo Schneider AG (Hasag) Leipzig“

Standort

Das Lager befand sich auf dem Gelände der Kamenzer ­Straße 10 und 12 (damals Bautzner Straße) im Leipziger Stadtteil Schönefeld. Das Gelände war von einem Stacheldrahtzaun und Wachtürmen umgeben, auf denen sich SS-Posten befanden. Vom Lager aus mussten die Häftlinge in Kolonnen zu Fuß in das etwa einen Kilometer entfernte HASAG-Hauptwerk laufen.

Unternehmen

Auftraggeber war die Hugo Schneider Aktiengesellschaft (HASAG), die ihren Firmenhauptsitz in Leipzig hatte, während des Zweiten Weltkrieges einer der größten Rüstungskonzerne im Deutschen Reich. Der Konzern besaß große Werke in Deutschland und im besetzten Polen, in denen er von tausenden jüdischen Männern und Frauen, zivilen Zwangsarbeiter:innen, Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen Munition und Panzerfäuste herstellen ließ. Im Zusammenhang mit der Verlagerung der Produktion von Polen nach Deutschland und der verstärkten Produktion von Panzerabwehrwaffen begann die HASAG im Sommer 1944 mehrere KZ-Außenlager einzurichten.

Zwangsarbeit

Die Häftlinge wurden im Rahmen der „Aktion Panzerfaust“ vor allem in der Erprobung der in den HASAG-Werken hergestellten Munition eingesetzt.

Gegründet

15. November 1944

Aufgelöst

13. April 1945

Häftlinge

Männerlager

Maximale Anzahl der Häftlinge

680

Neben dem bereits existierenden Frauenlager wurde im Herbst 1944 ein gesondert eingegrenztes Barackenlager eingerichtet, in dem ab 15. November 1944 zunächst 130 ungarische und polnische jüdische Häftlinge untergebracht wurden. Auch der als „Homosexueller“ eingestufte Häftling Emil Janowski (Buchenwald-Nr. 17737) war ab dem 24. November in Leipzig eingesetzt. Am 14. Dezember wurde er in das Außenlager Colditz überstellt. Im Dezember 1944 wuchs die Zahl auf 680 Häftlinge an, unter ihnen nun auch Franzosen und Italiener.
Die Häftlinge wurden vor allem in der Erprobung der in den HASAG-Werken hergestellten Munition eingesetzt. Mindestens sieben Männer kamen vor Ort ums Leben. Durch Rücktransporte nach Buchenwald und Verlegungen in andere Außenlager (u.a. Flößberg) sank die Belegung bis Ende Januar 1945 auf 221 Häftlinge, bis Ende März 1945 auf 83 Häftlinge. Zwischen dem 6. und 14. April 1945 räumte die SS die Außenlager des KZ Buchenwald im Raum Leipzig und trieb die verbliebenen Häftlinge auf Todesmärsche in Richtung Osten.

Unterbringung

Vor 1944 befand sich auf dem Gelände der HASAG neben einem zweigeschossigen Steingebäude auch ein Ensemble von 12-15 Wohnbaracken. Nach der Einrichtung des Frauenaußenlagers ließ die HASAG dieses Barackenlager im Herbst 1944 noch einmal um zehn Baracken erweitern. Sehr wahrscheinlich hat sich in diesem neu errichteten Lagerteil unter anderem das gesondert eingegrenzte Männerlager befunden.

„Orte und Räume Deutscher Verbrechen gegen die Menschheit“

51.35860927 12.43697941 W Kamenzer Straße, Leipzig 09/2013 © Herbert Naumann
51.35860927 12.43697941 W
Kamenzer Straße, Leipzig
09/2013 © Herbert Naumann

Der Fotograf Herbert Naumann hat in den Jahren 2012 und 2013 die ehemaligen Standorte der Außenlager des KZ Buchenwald fotografiert. Die vordergründig dokumentarisch wirkende Fotografie zeigt Orte, die Schauplätze deutscher Verbrechen waren. Die fotografischen Ansichten von Landschaften, Brachen, Grünanlagen, öffentlichen Plätzen, Wohnsiedlungen, Kleingärten etc. liefern zunächst keine oder kaum noch Indizien für das, was hier geschehen ist. Es sind stille und unspektakuläre Bilder mit häufig nur indirekten Hinweisen. Erst der sie begleitende Text stellt den Zusammenhang zwischen den dort begangenen Verbrechen und dem Ort her, lässt in den Bildern die Spuren erkennen, gibt dem Ort seine Identität und nimmt ihm seine Harmlosigkeit. Mit den Fotografien erhalten die Geschehnisse eine neue Aktualität; sie bleiben nicht mehr nur als erzählte Geschichte(n) theoretisch, sondern werden wieder mit dem konkreten, dem erkennbaren, dem realen Ort verbunden.

Die weiteren Bilder von Herbert Naumann finden Sie unter www.herbert-naumann.de.

Heutige Situation

Im Laufe des Jahres 1945 wurde das Werksgelände der HASAG von der Sowjetischen Besatzungsmacht beschlagnahmt. 1950 wies die Leipziger Wirtschaftsverwaltung den Bereich des ehemaligen HASAG-Nordwerks der VVB ABUS Halle (Vereinigung Volkseigener Betriebe für die Ausrüstung von Bergbau und Schwerindustrie) als Baufläche zu. Das ehemalige Hauptgebäude des KZ-­Außenlagers in der Kamenzer Straße 12 ließ der Betrieb enttrümmern und instand setzen und nutzte es anschließend als Verwaltungsgebäude. Heute befindet sich das Gebäude im Leipziger Nordosten in privater Hand und dient der militanten Rechtsradikalenszene als Treffpunkt. Dies erschwert ein angemessenes Gedenken in hohem Maße. Die vor Ort angebrachte Gedenktafel und das Wegzeichen zur Erinnerung an das KZ-Außenlager und die Opfer der Todesmärsche wurden in der Vergangenheit in regelmäßigen Abständen zerstört. Der Leipziger Stadtrat verurteilte dies in einem Beschluss vom 28. Mai 2020 und erkannte die besondere historische Bedeutung des Ortes an. Die 2001 eingerichtete Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig setzt sich für einen angemessenen Umgang und eine tiefergehende Auseinandersetzung ein.

Kontakt zum Förderverein Buchenwald

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Markt 10, 99423 Weimar

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Literatur

Karay, Felicja: Wir lebten zwischen Granaten und Gedichten. Das Frauenlager der Rüstungsfirma HASAG im Dritten Reich, Köln/Weimar/Wien 2001.

Knospe, Wolfgang: Leipzig-Schönefeld (Männer), in: Benz, Wolfgang / Distel, Barbara: Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Band 3: Sachsenhausen, Buchenwald, München 2006, S. 501f.

Sacha, Magdalena: Polinnen und polnische Jüdinnen im Außenlager HASAG-Leipzig: Zusammen, aber getrennt, in: Moller, Sabine/Rürup, Miriam/Trouvé, Christel (Hrsg.): Abgeschlossene Kapitel? Zur Geschichte der Konzentrationslager und der NS-Prozesse, Tübingen 2002, S. 69-87.

Schellenberg, Martin: Die „Schnellaktion Panzerfaust“. Häftlinge in den Außenlagern des KZ Buchenwald bei der Leipziger Rüstungsfirma HASAG, in: Dachauer Hefte, 21 (2005), S. 237-271.

Schönemann, Sebastian: Das Frauen-Außenlager „HASAG-Leipzig“ in Leipzig-Schönefeld: Neue Forschungen zur Geschichte und zum Ort des Lagers, in: MEDAON – Magazin für jüdisches Leben in Forschung und Bildung, 8 (2014), 15, S. 1–5.

Seidel, Irmgard: Jüdische Frauen in den Außenkommandos des Konzentrationslagers Buchenwald, in: Bock, Gisela (Hrsg.): Genozid und Geschlecht. Jüdische Frauen im nationalsozialistischen Lagersystem, Frankfurt a.M. 2005, S. 149-168.

Seidel, Irmgard: Leipzig-Schönefeld (Frauen), in: Benz, Wolfgang / Distel, Barbara: Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Band 3: Sachsenhausen, Buchenwald, München 2006, S. 495-500.