Magdeburg (Polte, Frauen)
Das Frauen-Außenlager der Polte-Werke in Magdeburg wurde im Juni 1944 eingerichtet. Bis zu 2.992 Häftlinge, darunter viele Jüdinnen aus Osteuropa, mussten in der Munitionsproduktion arbeiten. Vor Ort sind 20 Todesopfer dokumentiert. Nach der Auflösung des Lagers im April 1945 verübten Angehörige des Volkssturms und der Hitlerjugend ein Massaker, bei dem mindestens 42 Frauen und Männer erschossen wurden. Die verbliebenen Frauen wurden auf einen Todesmarsch getrieben, bei dem Hunderte weitere starben. Heute erinnern Mahnmale an das Geschehene.
Historische Situation
Bezeichnung
„Frauenaußenlager Polte-Werke OHG Magdeburg“, „Arbeitskommando Polte-Magdeburg“
Standort
Das Lager befand sich direkt gegenüber dem Hauptwerk der Polte OHG in der Poltestraße 65-91 (heute Liebknechtstraße) im Magdeburger Ortsteil Wilhelmsstadt (heute Stadtfeld-Ost).
Unternehmen
Polte OHG
Zwangsarbeit
Die Frauen wurden in 12-Stunden-Schichten in verschiedenen Abteilungen in der Munitionsproduktion der Polte OHG eingesetzt (zum Beizen, Lackieren, Putzen, Bohren u.a.), zudem in der Werkkantine der Polte OHG und in der Lagerküche. Etwa ein Viertel der Häftlinge musste ohne Schutzausrüstung mit giftigen Chemikalien hantieren.
Gegründet
14. Juni 1944
Aufgelöst
13. April 1945
Eine Akte zur „Errichtung eines Barackenlagers für Kriegsgefangene mit 3 Anbauten und Neubau eines Lagerschuppens“ belegt, dass der Bau von Baracken bereits im September 1941 beantragt und mit der geplanten Unterbringung von „fremden Arbeitskräften“ begründet wurde. Die Akte wurde vom Stadtarchiv Magdeburg 2010 aus privater Hand übernommen. Der Bau wurde mit einigen Auflagen zum Brandschutz genehmigt. Am 14. Juni 1944 wurde das Frauen-Außenlager eingerichtet. Es war bis zum 31. August 1944 organisatorisch dem KZ Ravensbrück zugeordnet. Ab 1. September 1944 bis zur Auflösung am 13. April 1945 war es Außenlager des KZ Buchenwald.
Häftlinge
Frauenlager
Maximale Anzahl der Häftlinge
2.992
Als das Lager am 1. September 1944 dem KZ Buchenwald zugeordnet wurde, befanden sich 1.885 weibliche Häftlinge vor Ort (nach anderen Quellen 1.851), überwiegend als „zivile“ Arbeiterinnen eingelieferte Frauen aus der Sowjetunion und der Ukraine sowie politische Häftlinge aus Polen. Bis zum 11. November 1944 stieg die Anzahl auf 2.992 Häftlinge, was die Höchstbelegung darstellte. Am 22. März 1945 waren noch 2.984 Frauen im Lager. Über den gesamten Zeitraum hinweg waren 3.090 Frauen im Magdeburger Außenlager gefangen, darunter etwa 600 Jüdinnen aus Ungarn, Polen, Lettland, Rumänien und Estland. Einige weitere Häftlinge kam aus Italien, Frankreich, der Tschechoslowakei, Jugoslawien, Litauen und Deutschland, eine Frau galt als Staatenlose.
Strafmaßnahmen wie Essensentzug, Prügel oder Bunkerhaft waren an der Tagesordnung. Aus dem Lager selbst sind 20 namentlich verzeichnete Todesopfer dokumentiert, darunter mindestens eine öffentliche Hinrichtung wegen angeblicher Sabotage. 109 Frauen wurden wegen „Arbeitsunfähigkeit“ durch schwere Krankheit in verschiedene Stammlager deportiert.
Das Frauenlager wurde am 13. April 1945 „evakuiert“. Ein Teil der Häftlinge - Frauen und Männer - wurden durch Angehörige des Volkssturms und der Hitlerjugend zum Stadion „Neue Welt“ an der Berliner Chaussee östlich der Elbe getrieben. Dort gerieten sie unter Artilleriebeschuss amerikanischer Truppen. Die Wacheinheiten des Volkssturms und der Hitlerjugend reagieren auf die Panik und die Fluchtversuche der Häftlinge mit Waffengewalt. Mindestens 42 Häftlinge wurden erschossen, Überlebende sprechen von deutlich mehr Todesopfern des Massakers.
Die verbliebenen Frauen wurden von der SS auf einen Todesmarsch getrieben. Nach Angaben von Überlebenden erreichten nur ca. 600 von fast 3.000 Häftlingen lebend das KZ Ravensbrück.
Unterbringung
Die Unterkunft befand sich gegenüber der Firma Polte in der Poltestraße (heute Liebknechtstraße). Die weiblichen Häftlinge waren in sechs nicht beheizbaren Holzbaracken ohne Fenster und Türen untergebracht.
Dokumente
„Orte und Räume Deutscher Verbrechen gegen die Menschheit“
Der Fotograf Herbert Naumann hat in den Jahren 2012 und 2013 die ehemaligen Standorte der Außenlager des KZ Buchenwald fotografiert. Die vordergründig dokumentarisch wirkende Fotografie zeigt Orte, die Schauplätze deutscher Verbrechen waren. Die fotografischen Ansichten von Landschaften, Brachen, Grünanlagen, öffentlichen Plätzen, Wohnsiedlungen, Kleingärten etc. liefern zunächst keine oder kaum noch Indizien für das, was hier geschehen ist. Es sind stille und unspektakuläre Bilder mit häufig nur indirekten Hinweisen. Erst der sie begleitende Text stellt den Zusammenhang zwischen den dort begangenen Verbrechen und dem Ort her, lässt in den Bildern die Spuren erkennen, gibt dem Ort seine Identität und nimmt ihm seine Harmlosigkeit. Mit den Fotografien erhalten die Geschehnisse eine neue Aktualität; sie bleiben nicht mehr nur als erzählte Geschichte(n) theoretisch, sondern werden wieder mit dem konkreten, dem erkennbaren, dem realen Ort verbunden.
Die weiteren Bilder von Herbert Naumann finden Sie unter www.herbert-naumann.de.
Heutige Situation
Das steinerne Eingangstor zum Werksgelände in der Liebknechtstraße 66-68 existiert noch. Seit Mitte der 1970er Jahre ist es als Mahnmal mit einer Gedenktafel für die Opfer eines KZ-Außenlagers gestaltet. Im örtlichen Denkmalverzeichnis ist es unter der Erfassungsnummer 094 06158 als Baudenkmal erfasst. Auf dem Gelände des ehemaligen Stadions „Neue Welt" erinnert ein Gedenkstein an das Massaker vom 13. April 1945.
Standort des Gedenkzeichens
Kontakt vor Ort
Stadtarchiv Magdeburg Mittagstraße 16 39124 Magdeburg
Kontakt zum Förderverein Buchenwald
Für Fragen, Hinweise oder Ergänzungen wenden Sie sich bitte an:
Förderverein Buchenwald
c/o Tourist-Information
Markt 10, 99423 Weimar
03643 747540
info@foerderverein-buchenwald.de
oder nutzen Sie unser Kontaktformular.
Literatur
Begrich, Pascal: Das Frauen-KZ der Polte OHG in Magdeburg, in: Schmiechen-Ackermann, Detlef / Kaltenborn, Steffi (Hrsg.): Stadtgeschichte in der NS-Zeit, Münster 2005, S. 123-134.
Begrich, Pascal: „Man passte auf, dass man uns leiden ließ.“ KZ-Häftlinge in Magdeburg, in: Puhle, Matthias (Hrsg.): Unerwünscht – Verfolgt – Ermordet. Ausgrenzung und Terror während der nationalsozialistischen Diktatur in Magdeburg 1933-1945, Magdeburg 2008, S. 317-328.
Seidel, Irmgard: Magdeburg (Polte-Werk OHG) (Frauen), in: Benz, Wolfgang / Distel, Barbara: Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Band 3: Sachsenhausen, Buchenwald, München 2006, S. 515-517.
Andere Quellen
Von Pascal Begrich liegt zudem eine Magisterarbeit aus dem Jahr 2003 unter dem Titel „Die Polte OHG und das Außenlager des KZ Buchenwald Polte-Magdeburg“ vor.
Die Akte zur „Errichtung eines Barackenlagers für Kriegsgefangene mit 3 Anbauten und Neubau eines Lagerschuppens“ aus dem Jahr 1941 liegt im Stadtarchiv Magdeburg, BOA - Bauakten - Bauordnungsamt, Nr. 68444.