Niederorschel

Die Junkers-Werke in Langensalza richteten unter dem Decknamen „Langenwerk AG“ im Herbst 1944 einen Zweigbetrieb in Niederorschel ein. Bei den bis zu 692 Häftlingen handelte es sich überwiegend um Juden sowie um politische Gefangene. Mindestens 20 von ihnen kamen in Niederorschel ums Leben. Im April 1945 trieb die SS die verbliebenen Häftlinge zu Fuß bis nach Buchenwald. Vor Ort gibt es heute einen Gedenkstein und eine Ausstellung. Einer der Häftlinge, Otto Herrmann, wurde 2005 als „Gerechter unter den Völkern“ geehrt.

Historische Situation

Bezeichnung

„Männeraußenlager Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG, Betriebsteil Niederorschel“, „Langenwerke AG Betriebsteil III Niederorschel“, Codename „No“.

Standort

Das Lager befand sich auf dem Gelände der Mechanische Weberei AG, in der Bahnhofstraße in Niederorschel.

Unternehmen

Auftraggeber waren die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke Dessau AG. Unter dem Decknamen „Langenwerk AG“ richteten sie im Herbst 1944 einen Zweigbetrieb mit zwei Betriebsteilen ein, einer davon in Niederorschel.

Zwangsarbeit

Die Häftlinge wurden in 12-Stunden-Schichten in der Flugzeugproduktion eingesetzt, unter anderem zum Einbau von Fahrwerken und Elektroinstallationen und zur Herstellung von Tragflächen.

Gegründet

4. September 1944

Aufgelöst

1. April 1945

Häftlinge

Männerlager

Maximale Anzahl der Häftlinge

692

Am 6. September 1944 traf ein Vorkommando mit 100 „politischen“ Häftlingen in Niederorschel ein. Ab Oktober 1944 folgten Transporte mit ausschließlich jüdischen Häftlingen aus Auschwitz und Buchenwald. Im Dezember 1944 betrug die Zahl der Häftlinge 692. Über die gesamte Zeit hinweg gingen 734 Häftlinge aus 15 Nationen durch das Lager, u.a. aus Ungarn, Slowenien, Litauen, der Sowjetunion und Frankreich. Die Arbeits- und Lebensbedingungen waren hart, die Werkshallen im Winter nicht beheizt und die Essensversorgung vollkommen unzureichend. Mindestens 20 Männer kamen in Niederorschel ums Leben.
Einer der Häftlinge, der kommunistische „Kapo“ Otto Herrmann, nutze seine guten Beziehungen zur SS, um Mitgefangene vor Misshandlungen zu schützen. Er wurde dafür 2005 als „Gerechter unter den Völkern“ geehrt. Auch weitere Personen aus der Zivilbevölkerung versuchten den Häftlingen zu helfen, indem sie ihnen heimlich Lebensmittel oder Kleidung zukommen ließen.
Am 18. Februar wurden 135 „arbeitsunfähige“ Häftlinge in das Außenlager Langenstein-Zwieberge überstellt. Am 1. April 1945 traten 527 verbliebene Häftlinge den „Evakuierungsmarsch“ nach Buchenwald an. Wie viele Häftlinge unterwegs umkamen oder flohen, ist unbekannt. Das Stammlager erreichten 425 Häftlinge am Abend des 10. April 1945, dem Tag vor der Befreiung des Lagers.

Unterbringung

Die Häftlinge waren im großen Websaal der Mechanischen Weberei AG untergebracht, der mit dreistöckigen Betten und einem elektrisch geladenen Stacheldrahtzaun ausgestattet wurde. Das Krankenrevier mit zwölf Pritschen für Schwerkranke wurde von einem französischen Häftlingsarzt geleitet.

„Orte und Räume Deutscher Verbrechen gegen die Menschheit“

51.38112262 10.41513562 NW Bahnhofstraße 45, Niederorschel 11/2012 © Herbert Naumann
51.38112262 10.41513562 NW
Bahnhofstraße 45, Niederorschel
11/2012 © Herbert Naumann

Der Fotograf Herbert Naumann hat in den Jahren 2012 und 2013 die ehemaligen Standorte der Außenlager des KZ Buchenwald fotografiert. Die vordergründig dokumentarisch wirkende Fotografie zeigt Orte, die Schauplätze deutscher Verbrechen waren. Die fotografischen Ansichten von Landschaften, Brachen, Grünanlagen, öffentlichen Plätzen, Wohnsiedlungen, Kleingärten etc. liefern zunächst keine oder kaum noch Indizien für das, was hier geschehen ist. Es sind stille und unspektakuläre Bilder mit häufig nur indirekten Hinweisen. Erst der sie begleitende Text stellt den Zusammenhang zwischen den dort begangenen Verbrechen und dem Ort her, lässt in den Bildern die Spuren erkennen, gibt dem Ort seine Identität und nimmt ihm seine Harmlosigkeit. Mit den Fotografien erhalten die Geschehnisse eine neue Aktualität; sie bleiben nicht mehr nur als erzählte Geschichte(n) theoretisch, sondern werden wieder mit dem konkreten, dem erkennbaren, dem realen Ort verbunden.

Die weiteren Bilder von Herbert Naumann finden Sie unter www.herbert-naumann.de.

Heutige Situation

Einige Ruinen sind auf dem Gelände der heutigen Firma „Werzalit“ noch vorhanden. Seit 1965 befindet sich ein Gedenkstein in der Bahnhofstraße. Im Jahr 2005 wurde vor Ort in den „Heimatstuben“ die ständige Ausstellung „KZ Buchenwald - AK Niederorschel“ eröffnet. Nach dem Schlossermeister Johannes Drößler, der in den Tagen vor der Auflösung des Außenlagers zwölf geflohene Gefangene in seiner Scheune versteckte, ist seit 1997 eine Straße im Ort benannt. Der „Kapo“ Otto Herrmann wurde von der Gedenkstätte Yad Vashem 2005 posthum als „Gerechter unter den Völkern“ geehrt.

Kontakt vor Ort

Herr Wolfgang Große Bahnhofstraße 28 37355 Niederorschel

Telefon: 036076 59855 E-Mail: wolfgang.nikolaus.grosse@web.de

Gemeinde Niederorschel Marktplatz 2 37355 Niederorschel

Kontakt zum Förderverein Buchenwald

Für Fragen, Hinweise oder Ergänzungen wenden Sie sich bitte an:

Förderverein Buchenwald
c/o Tourist-Information
Markt 10, 99423 Weimar

03643 747540

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Literatur

Barthel, Rolf: Wider das Vergessen. Faschistische Verbrechen auf dem Eichsfeld und in Mühlhausen, Jena o.J. [2004].

Große, Wolfgang: Aus dem Umkreis der Kamine. Hrsg. von der Gemeinde Niederorschel, Duderstadt 2009.

Große, Wolfgang: Niederorschel, in: Benz, Wolfgang / Distel, Barbara: Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Band 3: Sachsenhausen, Buchenwald, München 2006, S. 534-537.

Odic, Charles: Demain Buchenwald, Paris 1972.

Sterner, Georg: Die Ballade des Todestanzwalzers, Budapest, unveröffentlicht.

Unsdorfer, Simcha Bunem: The Yellow Star, Jerusalem / New York 1983.

Andere Quellen

Es liegen Erlebnisberichte von folgenden ehemaligen Häftlingen vor: Dov Goldstein (Israel), Bertrand Herz (Paris), Ervin Cserepfalvi (Budapest), Steven Fenves (Rockvill M.D.), Berthold Gross (New York), Leopold Fiala (Bratislava), Ivan Ivanji (Wien), Jan Schepen (Groningen), Laszlo Nussbaum (Rumänien), David Fraenkel (Israel), Yeshayahu Nir (Jerusalem), Werner de Kolb-Kolk (New York).

Beiträge zum Thema sind enthalten in den Eichsfelder Heimatheften, 3/1963, 2/1973 sowie 2/1985.