Allendorf

Am Industriestandort Allendorf wurden seit 1940 insgesamt über 17.000 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter eingesetzt. Darunter waren ab August 1944 auch etwa 1.000 Jüdinnen aus Ungarn und der Slowakei, die im Frauenaußenlager Verwertchemie Allendorf“ des KZ Buchenwald Granaten herstellen mussten. Viele von ihnen erlitten lebenslange Folgeschäden. Heute befindet sich am ehemaligen Standort des Lagers das Dokumentations- und Informationszentrum Stadtallendorf.

Historische Situation

Bezeichnung

Das Lager wurde in den Abrechnungen des KZ Buchenwald als Frauenkommando „Nobel Allendorf“ oder als „Fabrik Allendorf“ geführt. Ebenso wurde das Kommando als „Lager Münchmühle“ bezeichnet.

Standort

Das Lager befand sich in der Nähe der Münchmühle, nördlich des Werksgeländes der Fabrik Allendorf (DAG), etwa zwei Kilometer vom Ort entfernt.

Unternehmen

Die Arbeit erfolgte für die „Gesellschaft zur Verwertung chemischer Erzeugnisse“, kurz „Verwertchemie“, einer Tochterfirma der Dynamit-Nobel AG.

Zwangsarbeit

Insgesamt arbeiteten in Allendorf (heute Stadtallendorf) mehr als 17.000 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, darunter viele Kriegsgefangene. Im Außenlager des KZ Buchenwald waren ca. 1.000 Zwangsarbeiterinnen eingesetzt. Sie mussten an sechs Tagen in der Woche bis zu zwölf Stunden täglich arbeiten. Viele von ihnen erlitten lebenslange Folgeschäden. Besonders schwer und gesundheitsgefährdend war die Arbeit an den Granatenfüllstellen, wo der giftige Sprengstoff in Granaten und Bomben gefüllt wurde. Zudem setzte die Firmenleitung die Frauen für Erdarbeiten, in der Wäscherei und in der Schneiderei ein. Einige wenige waren in der Landwirtschaft und im Lager eingesetzt.

Gegründet

16. August 1944

Aufgelöst

27. März 1945

Häftlinge

Frauenlager

Maximale Anzahl der Häftlinge

1.000

Allendorf war ein Frauen-Außenkommando mit etwa 1.000 ungarischen Jüdinnen, die von der SS in Auschwitz zum Arbeitseinsatz ausgewählt wurden. Die meisten von ihnen kamen aus Ungarn, ein kleiner Teil aus der Slowakei. Die Frauen waren im Durchschnitt 27 Jahre alt, die Älteste war 53, die Jüngste 15 Jahre alt. Sechs Tage pro Woche mussten sie teilweise acht, teilweise bis zu zwölf Stunden täglich hochgiftiges TNT in Granaten verfüllen.
Am 27. Oktober 1944 wurden fünf schwangere Frauen zurück nach Auschwitz deportiert. Am 8. November 1944 verstarb eine der Frauen vor Ort im Lager. Sie wurde auf dem jüdischen Friedhof in Allendorf bestattet. Am 23. Dezember 1944 kam eine ungarische Jüdin aus dem Außenlager Leipzig-Schönau nach Allendorf. Am 26. Januar 1945 wurden zwei schwangere Frauen nach Bergen-Belsen abtransportiert. Am 27. März 1945 trieb die SS die 988 verbliebenen Frauen des Lagers auf einen „Evakuierungsmarsch“. Der Marsch führte nach Osten, währenddessen setzten sich die Wachmannschaften nach und nach ab, bis sich der gesamte Zug auflöste.

Unterbringung

Zur Unterbringung der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter war bereits Anfang 1940 das „Lager Münchmühle“ errichtet worden. In den insgesamt 26 Baracken mit doppelstöckigen Betten wurden ab August 1944 auch die aus Buchenwald entsandten Frauen untergebracht.

„Orte und Räume Deutscher Verbrechen gegen die Menschheit“

50.82172455 8.98875564 SW „Münchmühle“ Plausdorfer Weg, Stadtallendorf 11/2012 © Herbert Naumann
50.82172455 8.98875564 SW
„Münchmühle“ Plausdorfer Weg, Stadtallendorf
11/2012 © Herbert Naumann

Der Fotograf Herbert Naumann hat in den Jahren 2012 und 2013 die ehemaligen Standorte der Außenlager des KZ Buchenwald fotografiert. Die vordergründig dokumentarisch wirkende Fotografie zeigt Orte, die Schauplätze deutscher Verbrechen waren. Die fotografischen Ansichten von Landschaften, Brachen, Grünanlagen, öffentlichen Plätzen, Wohnsiedlungen, Kleingärten etc. liefern zunächst keine oder kaum noch Indizien für das, was hier geschehen ist. Es sind stille und unspektakuläre Bilder mit häufig nur indirekten Hinweisen. Erst der sie begleitende Text stellt den Zusammenhang zwischen den dort begangenen Verbrechen und dem Ort her, lässt in den Bildern die Spuren erkennen, gibt dem Ort seine Identität und nimmt ihm seine Harmlosigkeit. Mit den Fotografien erhalten die Geschehnisse eine neue Aktualität; sie bleiben nicht mehr nur als erzählte Geschichte(n) theoretisch, sondern werden wieder mit dem konkreten, dem erkennbaren, dem realen Ort verbunden.

Die weiteren Bilder von Herbert Naumann finden Sie unter www.herbert-naumann.de.

Heutige Situation

Das Lager wurde 1947 abgerissen. Die Stadt Stadtallendorf begann um 1986 mit der Aufarbeitung ihrer Geschichte in der Zeit des Nationalsozialismus. Seit Mai 1988 existiert auf dem Fundament der ehemaligen Waschbaracke eine Gedenkstätte. Im November 1994 wurde das Dokumentations- und Informationszentrum Stadtallendorf (DIZ) gegründet, eine Gedenkstätte mit einer Dauerausstellung. Das DIZ ist außerschulischer Lernort und Museum mit Archiv. Es hat seinen Sitz im Seitenflügel des ehemaligen Verwaltungssitzes der Dynamit Nobel AG. Erklärtes Ziel des DIZ ist es, das Schicksal der Zwangsarbeiter in Allendorf aufzuarbeiten und zu dokumentieren.

Standort des Gedenkzeichens

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Kontakt vor Ort

DIZ / Stadtmuseum Stadtallendorf Aufbauplatz 4 35260 Stadtallendorf

Telefon: 06428 4498932 Internet: www.diz-stadtallendorf.de

Dokumente

Die Gedenkstätte Münchmühle in Stadtallendorf.
Die Gedenkstätte Münchmühle in Stadtallendorf.

Kontakt zum Förderverein Buchenwald

Für Fragen, Hinweise oder Ergänzungen wenden Sie sich bitte an:

Förderverein Buchenwald
c/o Tourist-Information
Markt 10, 99423 Weimar

03643 747540

oder nutzen Sie unser Kontaktformular.

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Literatur

Brinkmann-Frisch, Fritz / Hartleben, Lydia / Horn, Harald / Wegener, Heinz: Faschismus in der Region. Rüstungsindustrie und Zwangsarbeit in Stadtallendorf, hrsg. vom Hessischen Institut für Lehrerfortbildung, Außenstelle Marburg, Fuldatal 1992 (Ergebnisse einer regionalen Lehrerfortbildung in Hessen, nicht mehr erhältlich).

Brinkmann-Frisch, Fritz (Bearb.): Dokumentations- und Informationszentrum Stadtallendorf. Katalog zur Dauerausstellung, hrsg. vom Magistrat der Stadt Stadtallendorf, Haupt- und Personalamt, Fulda 1994.

Brinkmann-Frisch, Fritz: Allendorf („Münchmühle“), in: Benz, Wolfgang / Distel, Barbara: Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Band 3: Sachsenhausen, Buchenwald, München 2006, S. 360ff.

Fahidi, Éva: Anima Rerum. Meine Münchmühle in Allendorf und meine wahren Geschichten, hrsg. vom Magistrat der Stadt Stadtallendorf, 2004 (vergriffen, neue erweiterte Auflage eines anderen Herausgebers im Sommer 2011 unter dem Titel „Die Seele der Dinge“).

Klewitz, Bernd: Die Münchmühle. Außenkommando des Konzentrationslagers Buchenwald, hrsg. vom Kreisausschuss des Landkreises Marburg – Biedenkopf, 2., erw. Auflage, Marburg 1989 (nicht mehr erhältlich).

Magistrat der Stadt Stadtallendorf / Förderverein für Stadt- und Regionalgeschichte Stadtallendorfs 1933 - 1945 e.V. (Hrsg.): Dokumentation der Internationalen Tage der Begegnung in Stadtallendorf, KZ-Außenlager Münchmühle/Nobel vom 21. bis 26.10.1990, Stadtallendorf 1991 (deutsch/ungarisch, nicht mehr erhältlich).

Magistrat der Stadt Stadtallendorf (Hrsg.): DIZ und Stadtmuseum Allendorf. Eine Kurinformation zur Dauerausstellung, Stadtallendorf 2010.

Andere Quellen

Weitere Informationen sind ebenfalls erhältlich unter https://www.memorialmuseums.org/denkmaeler/view/24/Dokumentations--und-Informationszentrum-Stadtallendorf.