Mühlhausen (Gerätebau)

Für die Gebrüder Thiel Gerätebau GmbH wurde im September 1944 das Außenlager „Martha II“ bei Mühlhausen eingerichtet. Bis zu 700 überwiegend ungarische und polnische Jüdinnen mussten dort in der Produktion von Flugzeugteilen und Zündern arbeiten. Mehrere Frauen kamen ums Leben. Ende Februar 1945 wurden die verbliebenen Häftlinge nach Bergen-Belsen getrieben.

Historische Situation

Bezeichnung

Außenlager Mühlhausen II, Deckname „Martha II“

Unternehmen

Auftraggeber war die Gerätebau GmbH, ein Tochterunternehmen der Ruhlaer Uhrenfabrik Gebrüder Thiel.

Zwangsarbeit

Der Arbeitseinsatz erfolgte in zehn- bis zwölfstündigen Schichten. Die Frauen mussten Flugzeugteile und Zünder herstellen. Schwere Arbeitsunfälle waren an der Tagesordnung.

Gegründet

3. September 1944

Aufgelöst

28. Februar 1945

Im Betrieb waren bereits seit 1942 osteuropäische und russische Zwangsarbeiter eingesetzt. Ab September 1944 kamen die Frauen des Außenlagers hinzu.

Häftlinge

Frauenlager

Maximale Anzahl der Häftlinge

700

Im September 1944 wurden 500, im Oktober weitere 200 Frauen in das Lager gebracht. Es handelte sich überwiegend um ungarische und polnische Jüdinnen aus den KZ Buchenwald und Auschwitz im Alter von 15 bis 45 Jahren. Im folgenden Winter starben vor Ort drei Frauen: am 23. Dezember 1944 die 21-jährige Rosa Lapidus aus Bialystok, am 28. Januar 1945 die 19-jährige Talca Birenbaum aus Löwenstadt und am 1. Februar 1945 die 22-jährige Adel Spitzer aus Tarcal. Vier schwangere Frauen wurden aus Mühlhausen nach Auschwitz und von dort weiter nach Bergen-Belsen deportiert. Ende Februar wurden auch die verbliebenen Frauen zu Fuß und per Bahn nach Bergen-Belsen gebracht. Viele starben dort noch vor dem Eintreffen der britischen Armee.

Unterbringung

Die Unterbringung erfolgte in Baracken auf dem Gelände der Gerätebau GmbH, die sich von Beginn an in einem erbärmlichen Zustand befanden. Sie waren völlig verdreckt, die sanitären Anlagen nicht nutzbar, die Wasserleitungen im Winter zugefroren.

„Orte und Räume Deutscher Verbrechen gegen die Menschheit“

51.19357918 10.39780855 N Weiße-Haus-Chaussee, Mühlhausen 11/2012 © Herbert Naumann
51.19357918 10.39780855 N
Weiße-Haus-Chaussee, Mühlhausen
11/2012 © Herbert Naumann

Der Fotograf Herbert Naumann hat in den Jahren 2012 und 2013 die ehemaligen Standorte der Außenlager des KZ Buchenwald fotografiert. Die vordergründig dokumentarisch wirkende Fotografie zeigt Orte, die Schauplätze deutscher Verbrechen waren. Die fotografischen Ansichten von Landschaften, Brachen, Grünanlagen, öffentlichen Plätzen, Wohnsiedlungen, Kleingärten etc. liefern zunächst keine oder kaum noch Indizien für das, was hier geschehen ist. Es sind stille und unspektakuläre Bilder mit häufig nur indirekten Hinweisen. Erst der sie begleitende Text stellt den Zusammenhang zwischen den dort begangenen Verbrechen und dem Ort her, lässt in den Bildern die Spuren erkennen, gibt dem Ort seine Identität und nimmt ihm seine Harmlosigkeit. Mit den Fotografien erhalten die Geschehnisse eine neue Aktualität; sie bleiben nicht mehr nur als erzählte Geschichte(n) theoretisch, sondern werden wieder mit dem konkreten, dem erkennbaren, dem realen Ort verbunden.

Die weiteren Bilder von Herbert Naumann finden Sie unter www.herbert-naumann.de.

Heutige Situation

Auf dem Neuen Friedhof sind 19 Grabsteine ehemaliger Häftlinge der Außenlager Mühlhausen und Niederorschel vorhanden. Die Fundamente der Produktionshallen sind im Stadtwald Mühlhausen noch zu erkennen. Am Ort des ehemaligen Außenlagers entstand zunächst ein Standort der Nationalen Volksarmee der DDR, dann eine Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete. Im Jahr 2019 wurden Pläne bekannt, auf dem Gelände ein Bratwurst-Museum einzurichten. Diese wurden nach Protesten wieder verworfen. Parallel startete ein Projekt zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der Geschichte des Außenlagers.

Kontakt vor Ort

Mühlhäuser Geschichts- und Denkmalpflegeverein g.e.V. Ratsstraße 25 99962 Mühlhausen

Telefon: 03601 452 142 Internet: www.geschichtsverein-muehlhausen.de

Kontakt zum Förderverein Buchenwald

Für Fragen, Hinweise oder Ergänzungen wenden Sie sich bitte an:

Förderverein Buchenwald
c/o Tourist-Information
Markt 10, 99423 Weimar

03643 747540

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Literatur

Baranowski, Frank: Die verdrängte Vergangenheit. Rüstungsproduktion und Zwangsarbeit in Nordthüringen, Duderstadt 2000.

Jahn, Franziska: Mühlhausen (Gerätebau GmbH, „Martha II“), in: Benz, Wolfgang / Distel, Barbara: Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Band 3: Sachsenhausen, Buchenwald, München 2006, S. 530f.

Andere Quellen

Ein offener Brief der stellvertretenden Vorstandvorsitzenden der Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora, Dr. Irmgard Seidel, vom Februar 2019 thematisiert die Geschichte des Außenlagers. Er ist abrufbar unter https://www.diether-dehm.de/positionen/1280-veraechtlicher-umgang-mit-dem-gedenken-an-buchenwald-aussenlager-bei-muehlhausen.